Projekt Beschreibung

Words from a Bear

Freitag, 7. Februar 2020 um 16:00 Uhr
Robert-Bosch-Saal, vhs Stuttgart

Dokumentarfilm USA 2019, Regie: Jeffrey Palmer, 85 Min, FSK keine Angabe, Sprache: Englisch

Biographische Dokumentation über den Schriftsteller und Pulitzer-Preisträger Navarro Scott Momaday. Der Film vermag es, den literarischen Kern der Werke Momadays einzufangen und mit den persönlichen Erfahrungen des Schriftstellers als Kiowa und US-Amerikaner in Beziehung zu setzen.

 

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Hintergrundinformationen – Deutsche Version

Historischer Kontext und die Auswirkungen des zweiten Weltkriegs

Vor dem zweiten Weltkrieg lebten mehr als 90 Prozent der indigenen Bevölkerung in den USA in Reservaten. Viele von ihnen betrachteten sich als Verbündete der Vereinigten Staaten im traditionellen indigenen Sinne und fühlten sich dementsprechend verpflichtet, sie in ihrem Kampf zu unterstützen. 25.000 indigene Menschen dienten im Krieg, wo sie sich plötzlich mit anderen Soldaten und einer westlichen Perspektive konfrontiert sahen. Bei ihrer Rückkehr nach Hause fanden sie keine Arbeit und sahen sich meist nicht in der Lage, sich dem Leben ihrer Familien wieder anzupassen. Gleichzeitig wurden Programme ins Leben gerufen, um Individuen und auch Familien aus den Reservaten in städtische Gebiete umzusiedeln. Letztlich entwurzelte dieses Vorgehen viele Menschen und entfremdete besonders die Kriegsveteranen noch weiter von ihrem kulturellen und spirituellen Erbe. Diese Entwicklungen bilden den Hintergrund für den Roman House Made of Dawn (Haus aus Morgendämmerung).

Das Werk N. Scott Momadays

Navarre Scott Momaday (*1934) erlangte erstmals 1969 Berühmtheit, als ihm als erstem indigenen Autor überhaupt für seinen Roman House Made of Dawn (Haus aus Morgendämmerung) der Pulitzer-Preis für Belletristik verliehen wurde. Nach dem Erfolg seines ersten Romans wandte Momaday seine Aufmerksamkeit mehr der Poesie zu und veröffentlichte zahlreiche Gedichtbände. Zusätzlich schrieb er verschiedene Stücke, Kurzgeschichten und Essays. Neben dem Pulitzer-Preis erhielt er noch einige weitere Auszeichnungen, wie etwa einen Preis für sein Lebenswerk vom „Native Writers‘ Circle of the Americas“ oder die „National Medal of Arts“.

Die „Native American Renaissance“

Die Auszeichnung und der weitläufige Erfolg von House Made of Dawn (Haus aus Morgendämmerung)—einem Roman, der indigene Themen aus einer Innenperspektive behandelt—wird allgemein als Schlüsselmoment für die „Native American Renaissance“ erachtet. Dabei handelt es sich um eine Phase, die gekennzeichnet ist durch einen enormen Zuwachs an literarischen Werken von indigenen Autoren und Autorinnen. Nach langen Zeiten systematischer Unterdrückung indigener Kulturen wandten sich diese Schriftsteller und Schriftstellerinnen nun wieder ihrem Erbe zu. Mit literarischen Mitteln erforschten sie ihre sehr alten Traditionen sowie überlieferte Mythologie und beschrieben sie gemeinsam mit der zum Teil sehr harten Realität zeitgenössischen, indigenen Lebens. Zum ersten Mal sprachen indigene Menschen für sich selbst, anstatt dass nur über sie gesprochen wurde. Endlich waren sie in der Lage, stereotype Ideen über ihre Kulturen aufzulösen—und ihr Schaffen wurde als Kunst anerkannt.

Kiowa

Sowohl Regisseur Jeffrey Palmer als auch N. Scott Momaday gehören dem Stamm der Kiowa an. Die Kiowa sind traditionell ein Kriegerstamm der „Great Plains“ und bewohnten vor allem deren südwestlichen Teil. Ehe sie letztlich nach Oklahoma umgesiedelt wurden, lebten die Kiowa hauptsächlich als Nomaden von der Büffeljagd. Somit gehören sie zu den Stämmen, die der stereotypen, in der Populärkultur verankerten Vorstellung von „Indianern“ noch am nächsten kommen. Tatsächlich sind jedoch die Kultur der Kiowa ebenso wie die anderer Stämme der „Plains“ weitaus komplexer, als ihre klassische Darstellung erkennen lässt.
So legen die Kiowa—wie viele andere indigene Stämme auch—beispielsweise großen Wert auf ihre Traditionen der mündlichen Überlieferung und des Geschichtenerzählens. Diese Traditionen werden über Generationen weitergegeben und sind dabei weitaus dynamischer als das geschriebene Wort—sie sind Gegenstand gemeinschaftlicher Veränderung. Auf diese Weise leben Geschichte, Erinnerung und Kultur weiter, und sind dabei zur selben Zeit immerzu in Bewegung.

Die Bedeutung des Bären

Die Religion und Mythologie der Kiowa zeichnet eine starke, spirituelle Verbindung zu ihrer natürlichen Umgebung aus. Sie verehrten vor allem Mutter Erde und die Sonne. Der „Sun Dance“ oder Sonnentanz war einst ihre bedeutendste Versammlung, ehe er verboten wurde. Ansonsten erkannten sie geringere Geister an, wie etwa den Büffel, den Adler oder den Bären. Diese Charaktere tauchen manchmal in überlieferter Folklore auf—wie dies etwa bei der von Momaday erzählten Legende der sieben Schwestern der Fall ist. Neben Schöpfungsmythen sollen Geschichten wie diese seltsame Phänomene erklären, oder die Quelle von Besonderheiten in der Natur beleuchten. Indigene Spiritualität kennt keinen kategorischen Unterschied zwischen Menschen und Tieren oder belebter und unbelebter Natur. So ist es durchaus möglich, dass sich ein Bär in einen Mann verwandelt, oder aber ein Mann in einen Bären.

(Marc Volz, Student der Universität Tübingen)

Background Information – English Version

Historical Context and the Impact of World War II

Before World War II, more than 90 percent of indigenous people in the US lived in reservations. Many of them considered themselves allies of the United States in the traditional, tribal sense, feeling obliged to support their fight. Twenty-five thousand indigenous people served in the war where they suddenly became incorporated with other soldiers and western views. Upon their return home, they found no work and often themselves unable to re-adapt to the lives of their families. At the same time, programs went underway to relocate individuals and families from the reservations to urban areas.

Effectively, this uprooted many people and estranged especially the veterans even more from their cultural and spiritual heritage. These developments provided the backdrop for the novel House Made of Dawn.

N. Scott Momaday’s Work

Navarre Scott Momaday (*1934) attained fame in 1969, when he was the very first indigenous author to be awarded the Pulitzer Prize for Fiction for his novel House Made of Dawn. After the success of his first novel, Momaday turned his focus more towards poetry, releasing numerous volumes of poems. In addition to that, he wrote various plays, short stories and essays. Beside the Pulitzer Prize, he also received a number of other prizes, such as the first Lifetime Achievement Award from the Native Writers‘ Circle of the Americas or the National Medal of Arts.

The “Native American Renaissance“

The decoration and mainstream-success of House Made of Dawn—a novel dealing with indigenous issues from an inside perspective—is generally seen as a key moment for the “Native American Renaissance”. It describes a time marked by the significant increase in literary works by indigenous authors. After long periods of systematic oppression of indigenous cultures, these writers now turned back towards their heritage. Through literary means they explored and expressed their ancient traditions and mythology alongside the sometimes very harsh reality of contemporary, indigenous life. For the first time, indigenous people were actually speaking for themselves, not just talked about. Finally, they were able to break up stereotypical ideas about them—and their efforts were recognized as art.

Kiowa Ancestry

Both director Jeffrey Palmer and N. Scott Momaday belong to the Kiowa Tribe. The Kiowa are traditionally a warrior tribe of the Great Plains, mainly occupying the southwestern part. Before they were eventually relocated to Oklahoma, the Kiowa mostly lived on hunting buffalos, maintaining a nomadic lifestyle. Therefore, they are among the tribes being the closest to the stereotypical idea presented by mainstream culture. In reality, however, Kiowa and the other plains tribes’ cultures are much more complex than their classic representations.

For example, like many other indigenous tribes, the Kiowa attach great importance to their oral tradition and the tradition of storytelling. These traditions are passed on over generations, and in contrast to the written word are much more dynamic, subject to collaborative change. This way, their history, memory and culture live on and are in constant motion at the same time.

The Meaning of the Bear

Kiowa religion and mythology show a strong spiritual connection to their natural environment. Above all, they revered mother earth and the sun, with the Sun Dance being their most important gathering before its prohibition. Otherwise, they recognized minor spirits like the buffalo, the eagle or the bear. These characters sometimes reappear in folklore tales—such as is the case in the “Legend of the Seven Sisters” as told by Momaday. Next to creation myths, tales like these are meant to explain strange phenomena or the source of exceptional features in nature. Indigenous spirituality knows no categorical difference between animals and humans or animate and inanimate nature. Everything is connected, even allowing a bear to turn into a man and a man to turn into a bear.

(Marc Volz, student of the University of Tübingen)