Projekt Beschreibung

AMÁ

Samstag, 8. Februar 2020 um 18:00 Uhr
Robert-Bosch-Saal, vhs Stuttgart

Dokumentarfilm USA 2018, Regie: Lorna Tucker, 78 Min, FSK keine Angabe, Sprache: Englisch

In den sechziger und siebziger Jahren wurden in den USA im Auftrag der Regierung indigene Frauen systematisch von ihren Familien getrennt und oft zwangssterilisiert. Neben Berichten betroffener Frauen kommt auch der Arzt zu Wort, dessen Ideen zur Geburtenkontrolle der Regierung die Vorlage zur dieser Vorgehensweise gaben.

 

Ama

Ama

Hintergrundinformationen – Deutsche Version

Familien, Mutterschaft & Verwandtschaft bei den Navajo

Im Film wird unter anderem die Sterilisation von indigenen Frauen, ohne deren Einverständnis oder sogar ohne das Wissen der Frauen, thematisiert. Das Recht zu entscheiden, was mit dem eigenen Körper passiert, ist ein universelles Menschenrecht. Somit ist Zwangs-Sterilisation nicht nur ein Verbrechen gegen die Menschheit, sondern speziell auch ein Verbrechen gegen Frauen und Mütter. Zwar ist Mutterschaft eine Erfahrung, die Mütter auf der ganzen Welt auf emotionaler Ebene mit der Dokumentation „Amá“ verbinden kann, allerdings spielen einige kulturelle Besonderheiten ebenfalls eine Rolle in diesem Film. Jean Whitehorse gehört zum Stamm der Navajo und erzählt, dass Reichtum für die Navajo nicht große Häuser und viele Autos, sondern ihre Kinder sind, da Kinder den Familienstammbaum weiterführen. Bei den Navajo ist die Familie matrilinear ausgerichtet, was bedeutet, dass die Abstammung über die Mutter erfolgt. Ein weiteres Merkmal der Verwandtschaft unter den Navajo ist die Matrilokalität, so dass der Ehemann üblicherweise bei der Familie der Ehefrau wohnt. Wenn Mädchen in die Pubertät kommen, wird das außerdem mit einem Ritual („kinaalda“) gefeiert. Dies zeigt, dass die Gabe einer Frau, Kinder zu gebären, einen sehr hohen Stellenwert für die Navajo hat. Wird diese Gabe den Frauen genommen, ist das ein tiefer Eingriff in ihr selbstbestimmtes Leben.

Sundance / Sonnentanz

Der im Film erwähnte Sonnentanz („Sundance“) ist eine Reinigungs- und Heilungszeremonie, die bis in das 19. Jahrhundert bei Indigenen in Nordamerika sehr weit verbreitet war. Ein Teil der Zeremonie beinhaltet für einzelne Tänzer das traditionelle Durchstechen der Haut, auch „piercing“ genannt. Europäische Missionare und Beobachter verstanden meist nicht, was sie dort sahen, und durch ihre Einmischung und (Fehl-)Deutung von außen, wurde das Sonnentanz-Ritual 1904 vollständig verboten. Als Präsident Roosevelt 1934 den „Indian Reorganization Act“ unterzeichnete, wurden Teile des Verbots wieder aufgehoben, aber erst seit den 1960er Jahren wird der Sonnentanz wieder vermehrt praktiziert. Seit 2003 wurde durch einen Beschluss von verschiedenen indigenen Stämmen die Teilnahme und Anwesenheit von nicht-Indigenen beim Sonnentanz schließlich untersagt. Das ist auch einer der Gründe, weshalb das Ritual in der Dokumentation nicht gezeigt wird – es ist nicht für Außenstehende bestimmt. Vielmehr ist der Sonnentanz ein Privileg für alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen und durch dessen Exklusivität kann diesem Ritual auch wieder seine indigene Bedeutung zuteilwerden.

(Judith Thanner, Studierende der Universität Tübingen)

Background Information – English Version

Family, Motherhood & Kinship in the Navajo World

The film addresses the sterilization of Indigenous women without their consent or even without their knowledge. The right over one’s own body is a universal human right. So, sterilization without consent is not only a crime against humanity, but especially a crime against women and mothers. On the one hand, motherhood is an experience that can connect mothers from all over the world with the film “Amá” on an emotional level. But on the other hand, some cultural specifics play into the film as well. Jean Whitehorse is a Navajo woman and says that wealth in the Navajo world is not big houses and many cars, but their children because they carry the bloodline. Navajo families are matrilineal, which means that descent is traced through one’s mother. Another characteristic of kinship among the Navajo is the concept of matrilocality so that the husband usually lives with the family of his wife. Furthermore, a girl’s maturity is celebrated with a ritual called “kinaalda”. This shows that the gift of childbearing is of especially high value for the Navajo. If this gift is taken from women, it is a severe intrusion into their self-determined lives.

Sundance

The documentary mentions a purification and healing ceremony called “sundance”. Until the 19th century, it was widely practiced by Native Americans. A part of the ceremony includes the traditional piercing of the skin of individual dancers. European missionaries and bystanders often didn’t understand what they saw and because of their interference and (mis-)interpretation, the sundance was forbidden in 1904. When President Roosevelt signed the Indian Reorganization Act in 1934, parts of the ban were lifted again. But only from the 1960s onward has the sundance been practiced more often again. In 2003, various Indigenous tribes decided to eventually prohibit the participation and attendance of non-Indigenous people at sundances. This is one of the reasons why the ritual is not shown to the audience in the film—it is not meant for outsiders. Much more, it is a privilege for all participants, and through that exclusiveness, the ritual can regain its Indigenous meaning.

(Judith Thanner, student of the University of Tübingen)