Projekt Beschreibung
Dark Eden
Samstag, 8. Februar 2020 um 14:00 Uhr
Robert-Bosch-Saal, vhs Stuttgart
Dokumentarfilm Deutschland 2018, Regie: Regie: Jasmin Herold und Michael Beamish, 80 Min, FSK keine Angabe, Sprache: Englisch mit deutschen Untertiteln
Wie hoch ist der Preis für ein besseres Leben? Auf ihrer Reise nach einer Antwort auf diese Frage verschlägt es die Regisseure an den Ort Fort McMurray, der im hohen Norden Kanadas liegt. Hier befindet sich das größte Industrieprojekt und eines der letzten Ölvorkommen der Welt.
Hintergrundinformationen – Deutsche Version
Die Ölsand-Industrie und ihre Auswirkungen auf das Ökosystem
Fort McMurray, Athabasca, Kanada ist die drittgrößte Ölsandlagerstätte der Welt. Große Unternehmen wie Syncrude, Suncor Energy und Albian Sands gewinnen Ölsand für die Herstellung von synthetischem Rohöl, einem Rohstoff, aus dem unter anderem Kraftstoffe, Pestizide und Düngemittel, Kunststoffe, Wachse, Teer, Asphalt, Lösungsmittel, Butan und Propan erzeugt werden. Bei der Raffination von Ölsand wird dieser in Wasser und Chemikalien gekocht, wodurch das Wasser verschmutzt wird und giftige Gase entstehen.
Dennoch erkennen Unternehmen weder die von ihnen verursachten Umweltgefahren noch ihre Auswirkungen auf den Klimawandel an. Stattdessen priorisieren Lobbyisten die Diskurse über Reichtum, Wohlstand und Konsumverhalten gegenüber der ökologischen Verantwortung. Tatsächlich verwenden Ölsandkonzerne verschiedene Lobbying-Strategien, die sie in einem wohlwollenden und unterhaltsamen Licht präsentieren. So werden beispielsweise Firmenbesichtigungen für Touristen vom Tourismusbüro Fort McMurray als Familienaktivität angeboten.
Albertas Feuersbrunst im Mai 2016
Trotz der Verleugnung der Ölgesellschaften zeugt das große Lauffeuer im Mai 2016 von der Dringlichkeit, die gegenwärtigen Praktiken zu ändern und das Bewusstsein für den Klimawandel zu schärfen: Das Feuer zerstörte mehr als 2.400 Gebäude und erstreckte sich über 85.000 Hektar. Das gesamte Fort McMurray musste evakuiert werden – das war der größte Evakuierungsauftrag in der Provinz Alberta. Laut The Guardian haben „ungewöhnlich heiße Temperaturen in Kombination mit trockenen Bedingungen den borealen Wald in weiten Teilen Alberta’s in eine Zunderbüchse verwandelt. Die Bedrohung durch Lauffeuer reicht von sehr hoch bis extrem“. Diese meteorologischen Bedingungen stehen in direktem Zusammenhang mit dem Klimawandel, bei dem die Ölindustrie einer der Hauptakteure ist.
Indigenes Territorium und Souveränität
Außerhalb dieses künstlichen „Edens“ befinden sich indigene Nationen, die darum kämpfen, ihre Lebensweise aufrechtzuerhalten. Tatsächlich ist das Athabasca-Gebiet das Territorium mehrerer indigener Gemeinschaften, darunter Nêhiyawak (Cree), Metis und Chipewyan (Dene). In diesem Gebiet hält die industrielle Verschmutzung die Ureinwohner davon ab, ihre Kulturen zu praktizieren, denn Boden, Wasser und Tiere sind vergiftet. Nach Angaben des Aboriginal Peoples Television Network (APTN) lehnt die Chipewyan-Gemeinschaft den Ausbau der Abbaugebiete aktiv ab. Darüber hinaus beklagen sie einen Mangel an Informationen von der Regierung über die Folgen der Eröffnung neuer Grubenbergwerke, zu deren Bereitstellung die Regierung jedoch durch Verträge verpflichtet wäre.
Die Ölindustrie fördert verbraucherorientierte und unverantwortliche Lebensweisen; ihr wirtschaftliches Monopol behindert andere. Darüber hinaus zeigte das Lauffeuer von 2016, dass die indigenen Völker im Katastrophenfall nicht beachtet werden: es wurden keine von der Regierung organisierten Rettungsaktionen gegenüber den First Nations (Indigene Nationen) durchgeführt, wie The Canadian Press berichtet. Darüber hinaus wurden temporäre Registrierungszentren in Schulen eingerichtet, obwohl es sich hierbei um „Institutionen handelt, die viele Indigene nur ungern betreten“ (APTN), da das Trauma der kanadischen residential schools immer noch anhält. Für diese Internatsschulen wurden Indigene Kinder von ihren Eltern getrennt, damit ihnen die koloniale Kultur beigebracht wurde; sie zielten darauf ab, Indigene Kulturen aussterben zu lassen. Dies unterstreicht die Ignoranz der Regierung gegenüber der Präsenz, den Lebensweisen und der Geschichte der indigenen Bevölkerung.
Auch die Wiederaufbaubemühungen wurden nicht gleichmäßig auf die Bevölkerung verteilt; indigener heiliger Boden und indigene Aufenthalts- und Wohnorte werden in der Stadtplanung nicht berücksichtigt, erklärte Chief Allan Adam von der Athabasca Chipewyan First Nation. Mit anderen Worten, dem Wohlergehen der indigenen Gemeinschaften wird wenig staatliche Aufmerksamkeit und Respekt geschenkt, während sie ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten und ihre allgemeinen Lebensweisen gestalten, indem sie diese in einen westlichen industriellen Kontext einordnen, der die indigenen Ressourcen verunreinigt und zerstört. Indem Dark Eden die Vielfalt der Stimmen und Lebensweisen um Fort McMurray einander gegenüberstellt, zeigt der Film das von der Ölindustrie unterstützte hegemoniale Konsummodell und die für die Regierung dringliche Notwendigkeit, andere Perspektiven anzuerkennen und indigene Nationen endlich zu berücksichtigen.
(Talilah Charier, Studierende der Universität Tübingen)
Background Information – English Version
The Oil Sands Industry and Its Impact on the Ecosystem
Fort McMurray, Athabasca, Canada is the third biggest oil sands deposit of the world. Major companies such as Syncrude, Suncor Energy, and Albian Sands extract oil sand in order to produce synthetic crude oil, a resource used in the making of fuels, pesticides and fertilizers, plastic, waxes, tar, asphalt, solvents, butane and propane among other things. In the refining process, oil sand is boiled in water and chemicals so that it pollutes the water and produces toxic gases.
Still, corporations neither acknowledge the environmental hazard they cause, nor their impact on climate change. Instead, lobbyists prioritize discourses of wealth, prosperity, and consumerism over ecological responsibility. In fact, oil sands corporations lobby as being benevolent and entertaining, for instance when a visit to their facilities is presented as a family activity by the Fort McMurray tourism office.
Alberta’s Wildfire of May 2016
Despite the denial of the oil enterprises, the great wildfire of May 2016 presents evidence of the urgency to shift contemporary practices and to spread the awareness concerning climate change: the fire destroyed more than 2.400 buildings and spread over 85.000 hectares2. Entire Fort McMurray had to be evacuated, which was the biggest evacuation order in the Alberta province. According to The Guardian, “unseasonably hot temperatures combined with dry conditions have transformed the boreal forest in much of Alberta into a tinder box. The wildfire threat is ranging from very high to extreme”. These adverse conditions are directly linked to climate change to which the oil industry is one of the main actors.
Indigenous Territory and Sovereignty
Outside of this artificial “Eden” are Indigenous nations to be found struggling to maintain their ways of life. In fact, the Athabasca Area is home to several Indigenous communities, including Nêhiyawak (Cree), Metis, and Chipewyan (Dene). In this area, industrial pollution keeps Aboriginal peoples from practicing their cultures, for the soil, water, and animals are poisoned. According to the Aboriginal Peoples Television Network (APTN), the Chipewyan community actively opposes the expansion of the extraction sites. Moreover, they denounce their not being consulted about opening new pit mines despite Treaties that compel the government to do so.
Furthermore, the wildfire of 2016 demonstrated the lack of supervision for Indigenous peoples in case of disaster: no government-organized rescue actions were set up towards First Nations, as reports The Canadian Press. Moreover, temporary registration centers were established in schools although these are “institutions many Indigenous people are reluctant to enter” (APTN) because of the still-ongoing trauma of Canadian residential schools. This underlines the government’s ignorance of Indigenous presence, ways and history.
Reconstruction efforts were not equally distributed among the population; Indigenous sacred grounds and inhabitations are not included in the town’s prospects, declared Chief Allan Adam of the Athabasca Chipewyan First Nation. In short, little governmental attention and respect are being granted to the well-being of Indigenous communities. The government is framing their economic possibilities and their general ways of life by inscribing them in a Western industrial context that contaminates Indigenous resources. By superposing the multiplicity of voices and of ways of life surrounding Fort McMurray, Dark Eden casts light on the hegemonic consumerist model supported by the oil industry and the urgent need for other perspectives to be acknowledged, and for Indigenous nations to finally be taken into account by the government.
(Talilah Charier, student of the University Tübingen)